Zwecklosigkeit der Institutionen

Die Begriffe Institution und Organisation werden oft gleichwertig verwendet, obwohl die Institution grundsätzlich auf das menschliche und die Organisation auf das wirtschaftliche Verhalten abzielt. In diesem Sinne sorgen die Institutionen dafür, dass die elementaren Bedürfnisse eines Individuums im Rahmen einer kollektiven, sozialen Verantwortung zufriedengestellt und seine Handlungen gezielt gelenkt werden. In einem festgelegten Handlungsrahmen werden Pflichten, Rechte aber auch Sanktionen definiert. Beispiele von Institutionen sind: Krankenkasse, Kirche, Gefängnis, etc. Nichtsdestotrotz gibt es aber auch Organisationen, die das menschliche Verhalten und die Lebensbedingungen im Schwerpunkt ihrer Tätigkeit haben, wie z. B. UNICEF, im Sinne dieses Beitrages sind sie auch als Institutionen zu verstehen.

Problemstellung

Eine typische Entwicklung unserer Zeit ist, dass viele Institutionen den Sinn und den Zweck ihrer Existenz nicht mehr im Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten stellen. Stattdessen versuchen sie mit allen möglichen Mitteln ihren Profit und ihre Macht zu steigern. Das eigentliche und offiziell deklarierte Ziel wird demzufolge lediglich als Aushängeschild, auf dem Weg zu anderen, meistens wirtschaftlichen Zielen, missbraucht.

Demzufolge versuchen die Versicherungen generell die Anzahl der Mitglieder und ihre Beiträge zu steigern und zugleich die Auszahlung der Versicherungsprämien zu minimieren. Es werden die vorhandenen Gesetzeslücken und Ungewissheiten skrupellos ausgenutzt um die Versicherten, bei der Fälligkeit einer Auszahlung, zu überlisten. Die Krankenkassen verweigern, nicht selten, die Finanzierung der Krankheitskosten der Mitglieder, auch für sinnvolle und lebenswichtige Mittel. Es werden Gesetze und Richtlinien zur Reduzierung der Ausgaben entwickelt und angewendet. Patienten werden zu Kunden bzw. zu Kostenfaktoren, die Ärzte werden zu Händlern und die Krankenhäuser zu Abfertigungsstätten degradiert. Die Arbeitsagenturen sind vor allem mit sich selbst beschäftigt und angestrengt ihre Ausgaben zu reduzieren. Ein finanzieller Überschuss wird den Arbeitslosen kaum zu Hilfe benutzt. Die wirklichen Bedürfnisse des arbeitsuchenden Menschen stehen schon längst nicht im Fokus des Verfahrens. Dennoch möchte ich gleich vermerken, dass es sicherlich auch viele von Institutionen, die der hier ausgeübten Kritik nicht unterliegen, gibt. Mein Beitrag betrifft vor allem den vorwiegenden Trend in diesem Bereich.

Ursachen und Folgen

Ich bin ziemlich überzeugt, dass die oben genannte Zwecklosigkeit im Verhalten der Institutionen deutlich mit ihren derzeitigen, profitgeprägten wirtschaftlichen Regeln zusammenhängt. Der Einfluss dieser Regeln wird unglücklicherweise noch zusätzlich durch den Verfall der traditionellen moralischen Werte innerhalb heutiger Gesellschaft und Familie extrem verstärkt. Es gibt heute kaum neue, verständliche und akzeptable Inhalte, als Ersatz für die bisher geglaubten und heute nicht mehr passenden, moralischen Werte, der Religion und der Erziehung. In dieser Situation gibt es kaum moralische Hemmungen bei der Befriedigung der grundlegenden menschlichen Bedürfnisse, insbesondere bei der Verstärkung von eigener Position und Macht. Deshalb betrachte ich die Eskalation des Verfalls der moralischen Werte, im Bezug auf die Aufgaben der Institutionen, als die primäre Ursache der Zwecklosigkeit in ihrem Verhalten. Die anderen, folgend aufgelisteten Ursachen, haben grundsätzlich eine sekundäre Bedeutung und können von der oben genannten primären Ursache abgeleitet werden.

  • Trennung der Fachkräfte: Die Trennung der hochqualifizierten, führenden und planenden von den ausführenden Aufgaben der Fachkräfte einer Institution, führt zu einer sozialen Entfremdung der, mit dieser Aufgabe beauftragten, Menschen. Solche Trennung (Isolation) vermindert die soziale Kommunikation und führt dadurch zu steigender Unempfindlichkeit auf die Probleme der betroffenen Mitglieder (Kunden, Patienten etc.). Beispielsweise eine Krankenschwester kann direkt den Leid eines Patienten erleben und empfinden, da sie aber mit der Krankenhausverwaltung, die die „Spielregeln“ dieser Institution bestimmt, selten kommuniziert, kann sie ihre Empfindung kaum weitergeben.
  • Vorgeschriebene Handlung: Dem ausführenden Teil einer Institution wird immer öfter vorgeschrieben nach wirtschaftlichen Regeln zu handeln. Der menschliche Faktor, der die echten und relevanten Bedürfnisse der Mitglieder der Institution berücksichtigt, wird daher nur als Nebensache (oft als Kostenfaktor) angesehen.
  • Exzellente Ausbildung: Die immer bessere Fachausbildung der Führungskräfte und ständig optimierte Methoden im Bereich der Organisation, Management und Wirtschaft führen zum Einsatz von sehr raffinierten und wirtschaftlich effizienten Methoden der Prozesssteuerung und Verwaltung der Institutionen. Im Sinne dieser Methoden kann der menschliche Faktor nur bis auf einige, operative Werte, wie z.B. Anzahl der Mitglieder, neue Eintritte, Kündigungen, Kosten der Beschwerden, etc., reduziert werden.
  • Wettbewerb: Der bestehende Wettbewerb zwischen den Institutionen findet vorwiegend im wirtschaftlichen Bereich statt und führt dadurch zusätzlich zur Vernachlässigung der offiziell deklarierten Ziele der Institution. Es wird sogar um die Zufriedenheit der Mitglieder, Patienten oder Kunden fast ausschließlich mit Hilfe der wirtschaftlichen Reize, wie z.B. Rabatte, Teilrückzahlung der Prämien oder Sammeln von Bonuspunkten, geworben.

Fazit

Es ist intuitiv verständlich, dass der Mensch an einem bestimmten Anteil der Erträge und Erfolge seiner Aktivitäten beteiligt sein möchte. Es führt aber zum unsozialen Verhalten, wenn er diesem Anspruch keine moralischen Grenzen stellt. Wegen dem derzeitigen Verfall der traditionellen, moralischen Werte entstehen aber kaum Hemmungen, bei der Umsetzung der instinktiven, dennoch oft egoistischen Ziele. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass derartiges unsoziales Verhalten nicht unbedingt durch angeborene Böswilligkeit, sondern eben durch den gesellschaftlichen Verfall der moralischen Grenzen grundsätzlich verursacht wird. Auch im speziellen Fall der Institutionen, bei schwachen oder fehlenden moralischen Grenzen, werden meistens die eigenen, egoistischen Ziele (Macht, Karriere, Profit) und nicht die offiziell deklarierten, wirklich verfolgt. Die gesetzlichen Normen können die fehlenden moralischen Werte nicht ersetzen, weil sie, unabhängig vom politischen System, gefühllos umgegangen werden können. Trotzdem ist es wichtig, dass diese Normen den moralischen Werten entsprechen und nicht widersprechen.

Es ist ein Dilemma unserer Zeit, dass die traditionellen, moralischen Werte, systematisch und praktisch ohne Ersatz verschwinden. Nur eine neue, an unsere Zeit angepasste Moralität (Ethik, siehe auch Sensolismus) könnte dem sozialen Verhalten unserer Gesellschaft, auch dem Sinn der Institutionen, den erforderlichen, humanen Charakter dauerhaft garantieren. Eine Voraussetzung dafür wäre, dass die neue Moralität, dank gezielten Maßnahmen (z.B. in Schul-, Religionsunterricht und Medien), einen deutlich höheren Wert als bisher in unserer Gesellschaft annehmen wird.