Grundgedanken
Die Suche nach dem Sinn des Lebens gehört zweifellos seit Jahrtausenden zu den essenziellsten philosophischen Themen. Die bewusste oder intuitive Einstellung eines Menschen zu diesem Thema ist die Basis seiner jeglichen Handlungen. Die Liste, der in diesem Bereich engagierten Philosophen, ist sehr lang. Noch wesentlich länger wäre die Liste aller Menschen, die sich ohne Eintrag in die Geschichtsbücher, die Frage nach dem Sinn des Lebens gestellt haben.
In meinem Beitrag „Die relative Wahrheit“ habe ich das Thema der Relativität unseres Bewusstseins und damit auch unserer Gedanken eingehend erläutert. Meine Hypothese ist, dass unser Bewusstsein lediglich das Produkt der ständigen und unvermeidbaren Fortentwicklung der organisierten Materie ist. Demzufolge könnte der Sinn des Lebens auch als ein weiteres Produkt dieser Fortentwicklung definiert werden. Bedauerlicherweise ist aber die Nutzung des so induzierenden Sinnes des Lebens wahrscheinlich nur für die Philosophen und Naturwissenschaftler von Bedeutung. Für menschliches Empfinden ist eine gefühlsmäßige Erfassung des Sinnes des Lebens viel wichtiger. Dabei ist es prinzipiell egal, ob die Situationen, die uns Freude, Trauer, Schmerzen oder Glücksgefühle hervorrufen, nur geträumt werden oder wirklich stattfinden. Die damit verbundenen Gefühle sind von der Objektivität des Daseins nicht betroffen. Aus diesem einfachen, aber angebrachten Grund, ist auch die Relativität unseres Daseins kein wirklich relevantes Hindernis in der Suche nach dem so definierten Sinn des Lebens.
Dementsprechend kann grundsätzlich, zwischen den naturwissenschaftlichen und subjektiven Sinnen des Lebens unterschieden werden. Im nuturwissenschaftlichen Sinne wird vor allem die Ursache der Entstehung des Lebens inklusiv des Bewusstseins, naturwissenschaftlich bzw. philosophisch, diskutiert. Im subjektiven Sinne des Lebens ist die Ursache seiner Entstehung und seine Realität ohne Bedeutung. Für den subjektiven Sinn des Lebens ist die Gestaltung des Gefühls „da zu sein“ viel wichtiger als die absolute Wahrheit darüber.
Die oben beschriebene Differenzierung wird in vielen philosophischen Auseinandersetzungen nicht wirklich geachtet. In dem folgenden Beitrag möchte ich jedoch vor allem, den oben vorgetragenen, subjektiven Sinn des Lebens etwas näher betrachten.
Subjektiver Sinn des Lebens
Unabhängig davon, ob wir ein Erzeugnis der Evolution oder eines Schöpfers sind, unterliegen wir dem gleichen, elementaren Wunsch – glücklich und zufrieden zu sein. Dieser Wunsch bestimmt normalerweise unser Verhalten, auch wenn sein Bestehen vermutlich nur als Mittel zum Erreichen, uns nicht wirklich begreifbaren Zielen ist.
Der subjektive Sinn des Lebens kann von den mit dem Bewusstsein verbundenen Emotionen abgeleitet werden. Bevor ich an dieser Stelle fortsetze, möchte ich noch mein Verständnis für die Begriffe: Gefühle, Empfindungen und Emotionen, die gebräuchlich alternativ benutzt, aber oft unterschiedlich definiert werden, kurz erläutern. Beispielsweise: Wärme- und Kältegefühl werden normalerweise als Empfindungen; Liebe, Zuversicht und Zorn als Gefühle; Faszination und Stress als Emotionen eingestuft. Dennoch kann diese Einstufung entsprechend dem Kontext, der Intensivität des Erlebnisses und der betroffenen Person selbst, ganz anders erfolgen. Alle dieser Erlebnisse können jedoch, so wie in Buddhismus Lehre, als angenehm, unangenehm oder neutral, wahrgenommen werden. Ich glaube, dass praktisch, obwohl zuerst etwas vereinfacht, alle diese Begriffe unter positive oder negative Gefühle eingestuft werden können.
Ich glaube, dass das innere Verlangen nach Harmonie der positiven und negativen Gefühle, die treibende Kraft aller menschlichen Aktivitäten ist. Gemeint sind hier alle erdenklichen Formen, der vom Körper oder Geist ausgehenden Gefühlen. Einfache Beispiele von negativen Gefühlen: Angst, Trauer, Ekel, Scham, Kummer, Zweifel, Verwirrung, etc. Dementgegen die definitiv positiven Gefühle: Zuversicht, Euphorie, Optimismus, Vertrauen, Geborgenheit, etc. Es gibt aber auch Gefühle, die nur im Kontext des Auftretens zugeordnet werden können: Erregung, Leidenschaft, Stress, Faszination, Schmerz, etc. Die Auslöser aller Gefühle sind normalerweise sensorische (von Sinnen ausgehende) Erlebnisse, obwohl auch die rein geistigen Anreize durch Meditation oder auch die psychischen Anomalien, diverse Gefühlszustände hervorrufen können.
Der Mensch versucht normalerweise die positiven Gefühle zu erfahren und zugleich die negativen zu vermeiden. Auf diese Weise, bewusst oder auch unbewusst, bestimmt er seine Wünsche und Ziele und dadurch auch den wesentlichen Umfang seiner Handlungen. Auch wenn, die zu negativen Gefühlen führenden Handlungen intuitiv vermieden werden, sind sie als eine Art des Referenzwertes für die positiven Gefühle sehr wichtig. Beispielsweise, ein gemütlicher Abend zu Hause, kann beim schlechten Wetter, noch gemütlicher sein. Genauso kann das Wohlbefinden, besonders intensiv nach einer beschwerlichen Krankheit genossen werden. Die negativen Gefühle müssen aber nicht unbedingt und immer wieder durch Selbsterfahrung erlebt werden. Schon die Vorstellung einer mit negativen Gefühlen verbundenen Situation kann zur Intensivierung der positiven Gefühle deutlich beitragen.
Pseudo-positive Gefühle
Die positiven Gefühle können durch extrem unterschiedliche Situationen ausgelöst werden. Ein religiöser Mensch kann möglicherweise sein Glücksgefühl durch Fasten oder Meditation realisieren. Im Unterschied zu ihm kann ein Feinschmecker diesen Zustand eher beim guten Essen erreichen. Darüber hinaus gibt es für einige Menschen Arten der Befriedigung oder auch Glücksgefühle, die durch Sadismus, Pädophilie oder Lustmord ausgelöst werden. Solche Gefühle, die nur durch Leid, Zwangslage oder Unglück der anderen zu erreichen sind, möchte ich weiterhin als pseudo-positive Gefühle bezeichnen. Auch wenn die pseudo-positiven Gefühle und vor allem die damit verbundenen Handlungen, von der Mehrheit einer intakten Gesellschaft abgelehnt und bestraft werden, stellt sich die Frage nach einer Erklärung dafür. Wenn die Erklärung in der Wertschöpfung der Ethik, Tradition oder Religion gesucht werden soll, dann berechtigt ist immer noch die Frage nach dem Beginn dieser Wertschöpfung. Im Bereich der Religion wären das wohl, die von Gott bestimmten Gesetze. Da ich aber, wie in meinem schon erwähnten Beitrag „Die relative Wahrheit“, die Existenz Gottes grundsätzlich bestreite, möchte ich auch nicht, die darauf basierende Erklärung weiterverfolgen.
Ich glaube, dass solche Erklärung in den Beschaffenheiten der Evolution zu finden ist, die wiederum, als eine besondere Art der ständigen, unvermeidbaren Fortentwicklung der hochorganisierten Materie, angesehen werden kann. Es liegt offensichtlich im Sinne der Evolution, dass bei hochentwickelten Lebensformen, die mit pseudo-positiven Handlungen verknüpfte Handlungen, per Gefühle gehemmt werden. Die moralischen Gedanken und Empfindungen können dann nur als geschickte Tricks der Evolution, die dankbar dem Bewusstsein verwirklicht werden.
Es ist unverkennbar, dass die Werte der Ethik und Tradition die Beständigkeit der Fortentwicklung einer Gesellschaft, untermauern. Der Kulturkreis und die Zeitepoche können lediglich die Intensität aber nicht das Prinzip dieser Untermauerung beeinflussen. Deshalb kann auch der Ursprung dieser Werte als natürliche, angeborene Eigenschaft des Bewusstseins im Sinne der Evolution angesehen werden. In diesem Sinne ist ein Verstoß gegen die Verhaltensregeln der Ethik und Tradition, auch für das Mitglied der Gesellschaft das gegen sie verstößt – unabhängig von der Einstufung „gut“ oder „böse“ (siehe auch Metaethik), schädlich. Solcher Verstoß ist zumeist mit einem verminderten Urteilsvermögen eines Individuums verbunden, das lediglich auf die natürliche Streuung der möglichen Verhaltensformen der Evolution zurückzuführen ist. Dennoch ist die Fähigkeit der anderen Menschen, die auf den pseudo-positiven Gefühlen basierenden Handlungen abzulehnen, nicht direkt das Ergebnis der Evolution, viel mehr ist die Evolution das Ergebnis dieser, durch die Beschaffenheiten der hochorganisierten Materie entstandenen Fähigkeit.
Fazit
Abgesehen von unbewussten, instinktiven Handlungen oder Reflexen sind unsere täglichen Handlungen grundsätzlich mit Gefühlen verbunden. Eine bewusste aber völlig gefühlslose (emotionslose) Handlung ist unvorstellbar und hätte die Nützlichkeit unseres Bewusstseins infrage gestellt. Bewusst zu handeln ist eine menschliche Fähigkeit, die jedoch nicht gleichwertig mit rational oder logisch zu handeln gestellt werden kann. Unsere bewusste Wahrnehmung besteht eigentlich aus einer ununterbrochenen Reihe verschiedener Gefühle, die auch den Sinn des Lebens bestimmen. Es ist dabei aus menschlicher Perspektive ohne Bedeutung, dass diese Wahrnehmung möglicherweise nur ein Attribut der Evolution ist, und dass aus einer anderen, für uns unbegreifbaren Perspektive, der Sinn des Lebens ganz anders erscheinen kann. Um jedoch die Relativität, des durch die Gefühle definierten Sinnes des Lebens zu betonen, möchte ich ihn als subjektiv bezeichnen. Ich möchte auch deswegen den Sinn des Lebens als subjektiv bezeichnen, weil er nur für den betroffenen Menschen, einmalig und individuell von Bedeutung ist.
Dagegen bedeutet die Suche nach einem objektiven Sinn des Lebens nicht mehr als die Suche nach den Ursachen und dem Sinn unseres Bewusstseins. Aus menschlicher Perspektive könnte nur die Hypothese eines allmächtigen barmherzigen Schöpfers, ein erträgliches bzw. sogar vorteilhaftes Ergebnis solcher Suche liefern. Das Ablehnen dieser Hypothese kann zwar die Suche nach objektivem Sinn des Lebens wissenschaftlich und philosophisch interessant machen, liefert aber nicht die Antworten, die vom Sinn des Lebens zu erwarten sind. Sogar die Menschen, die nach einem objektiven Sinn des Lebens suchen, unterliegen dem emotionalen Wunsch etwas Bedeutendes zu entdecken, so folgen sie auch unvermeidlich ihren Gefühlen. Die Gefühle bestimmen essenziell den Inhalt der menschlichen Handlungen, obwohl auch umgekehrt, die bewussten Handlungen können neue Gefühle hervorrufen.
Ein bewusster Umgang mit den, so wie oben definierten positiven, negativen und pseudo-positiven Gefühlen und vor allem mit den damit verbundenen Handlungen, kann zur Steigerung der Zufriedenheit und Glücksgefühle führen. Dabei wichtig ist, die Erkennung und Ablehnung, der mit den pseudo-positiven Gefühlen verknüpften Handlungen. Diese Handlungen, die ähnlich wie die positiven Handlungen empfunden werden können, sind grundsätzlich für die betroffenen Menschen, auch wenn manchmal mit einer Verzögerung, schädlich.