Erstaunlicherweise akzeptiert der Mensch oft unlogische und widersprüchliche Darstellungen der Weltanschauung. Insbesondere, wenn er eine Übereinkunft seiner ideologischen und religiösen mit den praktischen oder wissenschaftlichen Bedürfnissen erreichen möchte. Ein Bespiel dafür ist die, auch bei vielen tief gläubigen Christen, verbreitete Akzeptanz der Evolutionstheorie. Es wird dementsprechend nicht beachtet, dass die Theorie der biblischen Schöpfung mit der Evolutionstheorie grundlegend nicht vereinbar ist.
Diese Art der großzügigen Toleranz gegenüber dem logischen Denken ist heute für die Menschen erforderlich um sich bei den sehr komplexen aber auch oft widersprüchlichen Herausforderungen der Erziehung, schulischen Bildung und des Glaubens zu behaupten. Es ist auch ersichtlich, dass in unserem Kulturkreis besonders gegenwärtig, angesichts der friedlichen Koexistenz der Wissenschaft und des Glaubens, diese Art der Toleranz der Widersprüche, verstärkt auftritt.
Ein anderes deutliches Beispiel des oben skizzierten Problems ist die Akzeptanz der Koexistenz von Geist (Seele) und Körper (Leib), die ich folgend etwas genauer betrachten möchte. Es ist beeindruckend, wie das Problem schon seit Jahrtausenden das philosophische Denken beansprucht und heute sogar in Internetbeiträgen (siehe Leib-Seele-Problem, Geist-Körper, Seelenwanderung) sehr präsent ist. Besonders in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und darüber hinaus war das Leib-Seele-Problem in der Psychologie, Physiologie und Philosophie ausschlaggebend. Aber auch in der Antike als platonisches oder im 17. Jahrhundert als descartisches Dualismus (Parallelismus) war das Thema von großer Bedeutung.
Meine Darstellung dieses Problems ist lediglich eine kurze Auseinandersetzung mit einigen logischen Widersprüchen bzw. Inkonsequenzen, die in diesem Zusammenhang, im Bereich der christlichen, jüdischen und islamistischen Religionen auftreten. Speziell bei diesen Religionen erfolgt eine strikte Trennung zwischen Körper und Geist. Der Islam trennt sehr deutlich die Seele vom Körper. Der Körper ist die äußere Form, die das Leben auf der Erde ermöglicht. Er stirbt und wird dann verwesen. Die Seele ist aber unsterblich. Ähnlich der christlichen Tradition wird die Auferstehung der Toten als Teil eines endzeitlichen Geschehens, mit dem Gericht über die Menschen angesehen. Das Verhältnis von Leib und Seele im Christentum und im Judentum ist etwas komplizierter. Historisch bedingt, insbesondere in früherem Judentum und bis ca. 13. Jahrhundert des Christentums, gab es keine klare Trennung von Körper und Geist. Der Mensch mit seinem Körper und Geist galt grundsätzlich als ein Ganzes. Erst später befestigte sich meistens die Meinung einer unsterblichen, unabhängig vom Körper existierenden, Seele (Dualismus, Parallelismus).
Dementsprechend, verbindet sich die Seele mit dem Körper während der Geburt und verlässt ihn mit Tod des Menschen (des Körpers). Nach dem Tod oder in der Endzeit nach Auferstehung des Menschen (der Seele) und nach einem Gottesgericht beginnt entweder ein ewiges Leben im Paradies oder ein ewiges bzw. zeitliches Leiden in der Hölle. Diese sehr vereinfachte Darstellung ist ähnlich für alle der drei oben genannten Religionen.
Offene Fragen, Illusionen, Inkonsequenzen und Widersprüche
- Entscheidung über die Schöpfung der Koexistenz von Körper und Geist: Wer entscheidet, ob ein neues Leben und damit auch eine neue Koexistenz von Körper und Geist entsteht oder entstehen darf? Wissenschaftlich betrachtet sind es die Menschen (Liebespaar, Arzt, Vergewaltiger), die zur Entstehung der ersten Zelle eines neuen Menschen aktiv, obwohl nicht unbedingt freiwillig und bewusst, beitragen. Im Gegensatz zu dieser Vorstellung sind sich die Religionen einig – es ist Gott – der den Anfang eines neuen Lebens, durch die Bindung der Seele mit dem Körper, bewirkt. Der Mensch spielt an diesem göttlichen Schöpfungsakt nur eine undurchschaubare bzw. keine Rolle… Darüber hinaus und bezüglich des freien Willen, offen bleibt eine quasi rhetorische Frage: Warum auch die Entstehung des Lebens in Folge einer ungewollten Schwangerschaft (z.B. Vergewaltigung) von Gott geduldet bzw. gebilligt werden soll?
- Anfang und Ende der Koexistenz von Körper und Geist: Aufgrund meiner Nachforschungen innerhalb der religiösen Überlieferungen ist mir nicht gelungen eine plausible Antwort zum genauen Zeitraum dieser Koexistenz zu finden. Es wäre jedoch von entscheidender Bedeutung zu wissen, wann exakt der Anfang und das Ende dieser Koexistenz stattfinden. Nur so könnten einige reale Handlungen, wie z.B. Abtreibung oder Sterbehilfe bei Komapatienten, im religiösen Sinne bewertet werden. Eine mögliche Erklärung dieser Unkenntnis liegt vielleicht in der Zeit der Entstehung der ersten Körper-Geist Theorien, da damals die Festlegung des „sekundengenauen“ Zeitraumes dieser Koexistenz noch von keiner besonderen Bedeutung für die Ersteller der religiösen Texten war.
- Entstehung der Individualität: Eine Nichtgleichheit der Seelen direkt nach ihrer Schöpfung wäre im Sinne der hier genannten Religionen unlogisch und auch gemäß der intuitiven Gerechtigkeit nicht akzeptabel. Demnach müssen die Seelen, direkt nach Schöpfung, gleichwertig sein. Dann stellt sich aber unausweichlich die Frage nach den Regeln und dem Sinn der göttlichen Zuweisung der „qualitativ“ so unterschiedlichen Körper. Es wäre unbegreiflich und ungerecht, wenn die Menschen nicht die gleichen „Startchancen“ (d.h. gleiche Seele an gleiche Körper) erhalten hätten. Anderseits ist die Vorstellung der Existenz von gleichen Körpern äußerst makaber und als Vorbereitung bzw. Test für das himmlische Leben (alle Seelen müssten anfänglich auch gleich sein) widersinnig. Dementgegen ist eine genetisch „initialisierte“ und später veränderbare Individualität eines Menschen (Genotyp, Phänotyp) verständlich, logisch und wissenschaftlich nachvollziehbar.
- Interaktion von Körper und Geist: Laut der früher genannten drei Religionen ist der Körper nur ein vergänglicher und unvollkommener Aufenthaltsort der Seele. Demzufolge müsste die Seele das bewusste und bestimmende Teil der Koexistenz von Körper und Geist sein. Diese Annahme widerspricht aber, schon nach kurzer Überlegung, jeder logischen Grundlage. Die Individualität (Ego) eines Menschen ist deutlich durch seine körperliche Verfassung, inklusive Alterung und Umwelteinflüsse, gekennzeichnet. Es ist auch heute unbestritten, dass das menschliche Verhalten durch chemische, biologische und chirurgische Faktoren tiefgehend beeinflusst werden kann. Diese Faktoren können auch außerhalb der Entscheidungsfreiheit des Menschen (Unfall, Krankheit) entstehen und trotzdem sein Verhalten entscheidend verändern. Der freie Willen oder das Bewusstsein, die der Entscheidungsfreiheit der Seele gleich gestellt werden können, scheinen hier von nebulöser Bedeutung zu sein. Desweiteren zumindest ein Teil unserer Entscheidungen lässt sich heute mit neurowissenschaftlichen Methoden und Hilfe der Magnetresonanztomographie voraussagen. Auch wenn es unheimlich klingt, gibt es belegte Untersuchungsergebnisse, die bestätigen, dass unser Gehirn entscheidet bevor die Entscheidung uns bewusst wird. Angesicht solcher Erkenntnisse entzieht sich ein göttliches Endgericht über das Weiterleben der Seele jeder sinnvollen und für Menschen verständlichen Grundlage.
- Auferstehung der Menschen (der Seelen): Die Auferstehung und das Bestehen des jüngsten Gerichten sollte die Fortsetzung der Existenz der Seele in einer, uns wenig bekannten, himmlischen Umgebung garantieren. Leider gibt es, außer: unbegreiflich, wunderschön, glücklich, etc., kaum andere, „praktische“ Beschreibungen dieser Existenz. Trotzdem träumen die Menschen sehnsüchtig von einem ewigen, besseren Leben nach dem Tod. Entsprechend ihrer Lebenssituation hoffen sie vor allem, auf ein Wiedersehen mit ihrer Familie und Freunden. Dabei wird es meistens nicht berücksichtigt, dass die wahre Fortsetzung einer Existenz nur dann stattfindet, wenn auch die wesentlichen Merkmale dieser Existenz weiterhin beibehalten bleiben. Sicherlich möchte ein Mensch nur die „guten“ Merkmale der irdischen Existenz nach Auferstehung beibehalten… ein überglückliches Leben im Himmel wird doch versprochen. Das Alter gehört sicher zu den wichtigsten Merkmalen unseres irdischen Lebens. Können wir im himmlischen Leben unser bestes Alter und das Alter der anderen, uns wichtigen Menschen (Seelen), bestimmen oder werden wir einfach „alterslos“? Keine dieser beiden Möglichkeiten ist wirklich zufriedenstellend und begreifbar. In einem Fall liegt der Widerspruch der Selbstbestimmung des Alters in unterschiedlichen Generationzugehörigkeiten, der uns wichtigen Menschen. Sicherlich entspricht nicht der Wunsch des besten Alters des Großvaters dem des Enkels. Darüber hinaus ist auch die Vorstellung eines mehrdimensionalen Himmels, wo die Menschen entsprechend dem Altersbedarf der anderen, in verschiedenen Altersstufen mehrfach gegeben hätte, eher makaber als gut. In anderem Fall ist desgleichen auch die Vorstellung der „Alterslosigkeit“ nach Auferstehung auch makaber und als wirkliche Fortsetzung des irdischen Lebens nicht ersichtlich. Was passiert mit unseren zeitgemäßen Vorlieben, Hobbys und Interessen. Werden sie dann grundsätzlich nicht mehr von Bedeutung sein? Beispielsweise, werden die antiken Menschen nach Auferstehung die Computerbedienung lernen oder die Kinofans ihre Lieblingsfilme anschauen können? Welche gesellschaftlichen und soziallen Strukturen im Himmel sind zu erwarten? Ich vermute, dass es keine fundierten Antworten auf diese, aus meiner Sicht, sehr essentiellen Fragen gibt, weil sie es in einer für Menschen verständlichen Form auch nicht geben kann? Wenn es aber die wesentlichen, irdischen Merkmale der Individualität (Ego) und ihrer gewöhnten Umgebung nach Auferstehung verloren gehen sollen, kann die Auferstehung nicht als die „bessere“ Fortsetzung und das Ziel der irdischen Existenz angesehen werden.
Fazit
Schon die oben präsentierte kurze Analyse des Leib-Seele-Problems führt, in meiner Überzeugung, zu sehr vielen Widersprüchen und folglich auch zur Ablehnung der Möglichkeit einer schlüssigen und zweckmäßigen irdischen Koexistenz von Körper und Geist. Selbstverständlich kann diese Ablehnung mit dem Argument der Unbegreifbarkeit der göttlichen Absichten immer widerlegt werden. Da aber so ein Argument, aus dem Bereich des Glaubens, jede sachliche Analyse außer Kraft setzen kann, kann es im Sinne dieses Beitrages nicht beachtet werden. Darüber hinaus ist meine Ablehnung der Möglichkeit einer sinnvollen irdischen Koexistenz von Körper und Geist keine automatische Akzeptanz der materialistischen Weltanschauung. Eine immaterielle Darstellung dieses Problems ist gemäß dem Sensolismus, genauso möglich.